
Paritätischer kritisiert Bildungspaket: „Viel Bürokratie, viel zu wenig Teilhabe“
Das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) soll Kindern aus einkommensarmen Familien mehr Teilhabe ermöglichen. In der Praxis verhindern bürokratische Hürden, dass dieses Ziel erreicht wird. Um auf die Problematik aufmerksam zu machen, veröffentlicht der Paritätische Gesamtverband die Expertise „Teilhabequoten im Fokus“ und fordert eine pauschale Auszahlung der Leistung, damit mehr Kinder wirklich profitieren.
Vier von fünf Kindern ohne Teilhabeansprüche
Nach einer Studie der Paritätischen Forschungsstelle erreicht die Teilhabeleistung im Bildungs- und Teilhabepaket im Bundesschnitt mindestens 81 Prozent der leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen nicht. Für vier von fünf anspruchsberechtigten Kindern läuft diese Leistung ins Leere. Damit schreibt diese Säule des BuT auch 14 Jahre nach seiner Einführung eine Misserfolgsgeschichte fort.
Aufstockung geplant – Wirkung fraglich
Das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung soll Kindern und Jugendlichen aus finanziell benachteiligten Familien eigentlich helfen, Freizeit- und Sportangebote wahrnehmen zu können, die ihre Eltern ihnen sonst nicht finanzieren können. Die Bundesregierung plant laut Koalitionsvertrag, die Teilhabeleistung von bisher 15 Euro pro Kind auf 20 Euro im Monat zu erhöhen.
Pauschale Auszahlung als Lösung
Nach aktuellen Erkenntnissen des Paritätischen Gesamtverbandes verfehlt jedoch gerade diese Teilhabeleistung des Pakets die beabsichtigte Wirkung fast vollständig. Der Wohlfahrtsverband schlägt deshalb vor, die geplanten 20 Euro Teilhabeleistung pauschal an alle leistungsberechtigten Kinder und Jugendliche auszuzahlen. Zudem gilt es einen Rechtsanspruch auf Angebote der Kinder- und Jugendarbeit zu schaffen, damit das Paket seine Wirkung entfalten kann.
Entbürokratisierung dringend nötig
Dr. Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Verbandes, erklärte dazu: „Die von der Regierung beabsichtigte Entbürokratisierung kann ganz praktisch damit beginnen, dass die geplanten 20 Euro pro Kind monatlich pauschal ausgezahlt werden, ohne aufwändige Nachweise und Prüfungen.“
Gute Idee, schlechte Umsetzung
Die bisherige Teilhabeleistung reiche nicht aus: „Die Teilhabeleistung ist gut gedacht, die Umsetzung oftmals schlecht gemacht. Die regional massiv ungleichen Teilhabequoten zeigen, dass Teilhabechancen häufig von der Postleitzahl abhängen. Damit dürfen wir uns niemals abfinden“, so Rock. Er unterstreicht, dass bei einer Kinderarmutsquote von über 15 Prozent hier die Rede von Millionen Kindern in Deutschland ist: „In einem derart reichen Land wie Deutschland ist es ein Ärgernis, wenn Kinder nicht zum Fußball- oder Ballettunterricht gehen können. Das muss dringend geändert werden, zumal jegliche Bemühungen hin zu einer Kindergrundsicherung eingestellt scheinen.“ Darüber hinaus betonte Rock, dass dieses Problem bereits seit der Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes 2011 bestünde und man von der Bundesregierung endlich eine Lernkurve erwarten könne.
Bürokratie verhindert Teilhabe
Als einen Grund für die geringe Nutzung des Angebotes vermutet der Paritätische Gesamtverband die bürokratischen Hürden für die Inanspruchnahme. Hier schlägt der Paritätische eine starke Vereinfachung der Vorgänge vor. Die Leistungen sollten pauschal an alle Kinder und Jugendlichen, die Ansprüche auf sie haben, ausgezahlt werden. Diese pauschale Auszahlung ist auch ein Beitrag zur Entbürokratisierung. Außerdem sei es wichtig, die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe für junge Menschen vor Ort durch Rechtsansprüche auszubauen und abzusichern.
In NRW hängt Teilhabe von Kommune ab
Aus NRW-Perspektive ergänzt Christian Woltering, Vorstand des Paritätischen NRW: „Auch nach über einem Jahrzehnt Bildungs- und Teilhabepaket steht fest: Es hängt in NRW von der Kommune ab, ob Kinder eine Chance auf Teilhabe haben oder nicht. Es muss der Eindruck entstehen, dass die Kommunen nicht wollen, obwohl sie könnten. Hamm, Bielefeld oder Oberhausen beweisen, dass mehr möglich ist – doch die Mehrheit der Städte und Kreise lässt die Kinder im Stich. Von gleichen Lebensverhältnissen kann keine Rede sein, vier von fünf berechtigten Kindern gehen leer aus. Statt bürokratischer Hürden braucht es eine direkte Auszahlung der Mittel, so wie beim Schulbedarf. Bei der Bekämpfung von Kinderarmut zählt jeder Tag.“