
Welt-Hepatitis-Tag am 28. Juli: Aidshilfe NRW macht auf Missstände bei Prävention, Behandlung und Antidiskriminierung aufmerksam
Noch immer infizieren sich jedes Jahr Tausende Menschen mit Hepatitis C – obwohl es effektive Mittel zur Prävention und eine gut verträgliche Heilbehandlung gibt. Anlässlich des Welt-Hepatitis-Tags am 28. Juli macht die Aidshilfe NRW, Mitgliedsorganisation im Paritätischen NRW, deshalb auf die strukturellen Hürden bei Prävention, Testung, Behandlung und Antidiskriminierung aufmerksam: Die Eliminierung von Hepatitis C sei möglich. Doch sie scheitere an ungleichen Zugängen, veralteten Denkweisen und fehlendem Engagement in entscheidenden Bereichen.
Zahlen steigen
Besonders betroffen von Hepatitis-Ansteckungen sind laut Aidshilfe NRW Personen mit Drogengebrauch, Menschen in Haft und Männer, die mit Männern Sex haben, besonders im Kontext von sexualisiertem Substanzkonsum. Die aktuellen Zahlen des Robert Koch-Institut (RKI) von 2024 zeigen zudem: Die Infektionszahlen steigen – trotz verfügbarer Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten. So wurden dem RKI 2024 22.875 Fälle von Hepatitis B und 10.512 Fälle von Hepatitis C gemeldet, ein Anstieg von 36 beziehungsweise 30 Prozent im Vergleich zu 2022. Laut RKI ist die Zunahme auf verstärkte Diagnostik, wie zum Beispiel den Gesundheits-Check-up ab 35 Jahren, und die elektronische Labormeldung (DEMIS) zurückzuführen. Gleichzeitig zeigt sich, dass chronische Infektionen häufig erst spät entdeckt werden – viele Betroffene wissen lange nichts von ihrer Infektion.
Ansteckung oft in Haft
60 Prozent der bekannten Übertragungen von Hepatitis C stehen im Zusammenhang mit injizierendem Drogenkonsum, unter anderem auch während Haft-Aufenthalten. Die Aidshilfe NRW fordert deshalb eine flächendeckende Umsetzung des Screenings inklusive Nachsorge, die Impfung gegen Hepatitis B für alle Risikogruppen, die Umsetzung von Tests und Therapien im Justizvollzug für alle Inhaftierte mit medizinischer Indikation gemäß der S3-Behandlungsleitlinien für Hepatitis C sowie Antidiskriminierung in allen Gesundheitseinrichtungen. Insbesondere im Justizvollzug bleibt die Situation alarmierend. Noch immer werde dort die Ausgabe steriler Konsumutensilien verweigert, obwohl das RKI bereits 2016 Haftanstalten als Ort von hoher Übertragungsraten identifizierte.
Wenig Fortschritt
Die Aidshilfe macht darauf aufmerksam, dass in Haftanstalten Tests und medikamentöse Therapien in aller Ruhe und gut begleitet stattfinden könnten. In der Realität sei dies jedoch viel zu selten der Fall. Oft würden Menschen von einer Behandlung ausgeschlossen, weil sie eine zu kurze verbleibende Haftdauer haben, auch wenn die Behandlung nur acht bis zwölf Wochen dauere und außerhalb von Haft weitergeführt werden könnte. Weiterhin erschweren Datenschutzverstöße, Beschäftigungsverbote für infizierte Personen und eine insgesamt restriktive Haltung gegenüber Behandlungsmöglichkeiten Fortschritte in Haft erheblich. Modellprojekte wie „HCV-freie Gefängnisse“ in NRW und Hessen stellen hier für die Aidshilfe lediglich einen ersten Schritt dar. In diesen Projekten wurde allen Neuinhaftierten ab Projektstart ein Testangebot sowie bei Indikation ein Behandlungsangebot gemacht. Die selbst entwickelten Ausschlusskriterien der Projektleitung schlossen jedoch viele behandlungsbedürftige Personen aus und Prävention war innerhalb des Projektes nicht vorgesehen.
Mehr Angebote notwendig
Externe Fachkräfte, die anonym und niedrigschwellig Tests durchführen und beraten, können gerade in sensiblen Kontexten wie Haft oder Drogenhilfen einen entscheidenden Unterschied machen. Es ist notwendig, auch aufsuchende Testangebote im Streetwork und in Unterkünften für geflüchtete Menschen anzubieten, um auch Menschen zu
erreichen, die bislang nicht an das Hilfesystem angebunden sind. Und es braucht mehr spezifische Angebote für die verschiedenen Risikogruppen, wie Communityangebote mit Sprachmittler*innen oder Angebote für Sexarbeitende oder Chemsexuser*innen.
Entschlossenes Handeln gefordert
Neben Hepatitis C stellen auch Hepatitis A und B weiterhin gesundheitliche Risiken dar, gegen die geimpft werden kann. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt Impfungen für besonders gefährdete Gruppen wie Männer, die mit Männern Sex haben, Menschen mit HIV, Drogengebrauchende und Menschen in Haft. Doch die Umsetzung dieser Empfehlungen ist lückenhaft. Solange Hepatitis-Infektionen mit Schuld oder Scham verbunden werden, solange Betroffene in Einrichtungen diskriminiert oder ausgeschlossen werden, wird keine Strategie nachhaltig wirken. Die Aidshilfe NRW fordert ein entschlosseneres, ressortübergreifendes Handeln: Gesundheits-, Sozial- und Justizbehörden müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen. Dazu braucht es mehr Ressourcen, bessere Vernetzung der Akteur*innen und vor allem politische Entschlossenheit. Hepatitis ist nicht nur ein medizinisches, sondern ein gesellschaftliches Thema.